Die DKP hatte im Kulturausschuss beantragt, die Bergarbeiterbewegung in das bundesweite „Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes“ aufzunehmen. DKP-Vertreter Jörg Wingold konnte zur Begründung nur einen Teil seines Wortbeitrags dazu halten, bevor er unterbrochen wurde. Der Antrag der DKP wurde mit Mehrheit von CDU und SPD abgelehnt, man hat erst einmal zugestimmt, den „materiellen“ Teil des Erbes des deutschen Bergbaus dem UNESCO-Kultur-Welterbe hinzuzufügen. – anders ausgedrückt: Alles, was man anfassen kann, zuerst – dann vielleicht (!) der kulturelle Teil, den man nicht anfassen kann. So kennt man SPD und CDU!
Aber hier wenigstens die vollständige Rede des DKP-Vertreters zum Nachlesen:
Scheinbar recht disparate Teile der deutschen Kultur wie
- die Idee des Genossenschaftswesens,
- die deutsche Brotkultur,
- die Porzellanmalerei,
- das Märchenerzählen,
- der Musikinstrumentenbau im Vogtland,
- das Singen der Lieder der deutschen Arbeiterbewegung oder
- die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht
haben etwas gemeinsam: Sie sind nur sieben Beispiele von bisher 88 Kulturgütern, die im bundesweiten Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes. Dieses Verzeichnis umfasst –„kulturelle Ausdrucksformen wie beispielsweise Tanz, Theater, Musik, Bräuche, Feste und Handwerkskünste (…), denen in Deutschland lokal, regional und national besondere Bedeutung zukommt.“
In unserem Schreiben schlagen wir vor, die Bergarbeiterkultur insgesamt in dieses Verzeichnis aufzunehmen, und die entsprechenden Anträge dafür zu stellen. Ich meine, dass diese Anträge aus Bottrop gestellt werden sollte, hier endete der konkrete Steinkohlenbergbau, aber die Kultur der Bergarbeiter ist damit nicht beendet.
Ich will an dieser Stelle einige Aspekte der Bergarbeiterkultur beleuchten, soweit ich das als Laie vermag. Dankenswerterweise hat die Presse dazu in letzter Zeit etwas vorgegriffen. So hat die WAZ im Dezember einen Artikel zur Auseinandersetzung um die Barbara-Feier und -Figur veröffentlicht.
Die NRZ hat im Januar ein Magazin publiziert mit dem Titel „Erbe des Bergbaus“, in dem viele Aspekte dessen erwähnt werden, was ich Bergarbeiterkultur nenne. Es wird zur Sprachschöpfung der Bergarbeiter berichtet, über materielle und kulturelle Zeugen des Bergbaus in unserer Region und wie es in Zukunft damit weiter gehen könnte.
Außerdem haben wir kompetente Menschen, die sich mit Teilaspekten der Bergarbeiterkultur befasst haben:
- So hat der frühere Vorsitzende dieses Ausschusses, Herr Bucksteeg, im Jahre 2000 zusammen mit der Historischen Gesellschaft eine 140-seitige Schrift mit dem Titel „Religiosität im Bergbau“, Untertitel „Der du der rechte Bergfürst bist“ herausgebracht.
- Untrennbar mit dem Bergbau verbunden sind natürlich die von Erika Runge herausgegebenen „Bottroper Protokolle“, die 1968 eine ganz neue Diskussion zur Sprache des einfachen Volkes im Ruhrgebiet anlässlich des Widerstands gegen das Zechensterben und des Zusammenhalts der Menschen in unserer Stadt trotz unterschiedlicher politischer Haltung widerspiegeln. Übrigens ist davon sogar 1973 eine polnische und 1970 eine schwedische Übersetzung erschienen.
- Natürlich war auch die Wissenschaft allgemein nicht untätig, ich verweise zum Beispiel auf das Werk von Wilsdorf „Montanwesen – Eine Kulturgeschichte“ aus dem Jahre 1987, auf das im wahrsten Sinne gewichtige Werk von Winkelmann „Der Bergbau in der Kunst“ aus dem Jahre 1958, außerdem auf die bei Beck erschienene, von Jäger und Tenfelde bearbeitete „Bildgeschichte der deutschen Bergarbeiterbewegung“ von 1989.
- Aus der Kultur im klassischen Sinne erwähnen möchte ich hier den von Köpping herausgegebenen Gedichtband „Schwarze Solidarität“, unter anderem mit Werken von Kämpchen, Engelke, von der Grün und Zech. Nicht vergessen werden darf natürlich Kumpel Anton – nicht unumstritten, aber das war Jürgen von Manger auch nicht. Unter anderem angestoßen durch den Almanach des Josef-Albers-Gymnasiums in den achtziger Jahren erfolgte erneut eine Auseinandersetzung mit der Sprache im Ruhrgebiet – hier das Bändchen „Hömma!“ von Sprick aus dem Jahre 1984.
Sie werden zu Recht fragen: Was hat die Sprache des Ruhrgebiets mit der Bergarbeiterbewegung zu tun? Bottrop ist dafür ein gutes Beispiel. Die Bergarbeiterschaft setzte sich aus Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen, Sie kamen in unsere Stadt, zu Anfang aus damals polnisch sprechenden Teilen des Deutschen Reiches, aber auch aus Westfalen und anderswo – man musste sich im Interesse der Arbeit und der Sicherheit miteinander verständigen – und zwar in einer Sprache, in der es auf Verständlichkeit und nicht auf Höflichkeit ankam: Es hieß also nicht „Bist Du so freundlich, mir mal den Hammer zu reichen?“ sondern man rief „Młotek“ – und da wurde schnell der Hammer gereicht.
Warum das? Weil die Arbeit im Bergwerk eine gefährliche Arbeit ist, bei der es auf Zusammenarbeit ankommt. Man musste Zusammenarbeiten, man musste Solidarität üben. Ich selbst bin kein Bergarbeiter, aber in meiner Arbeit im Jugendamt, in der Jugendgerichtshilfe glaube ich bemerkt zu haben, dass bei aller Streiterei untereinander, bei allen menschlichen und politischen Unterschieden als Resultat der gemeinsamen Arbeit in allen Bereichen des Bergbaus eines wichtig war: Man kannte sich, man kannte einander, man kannte jemanden, der einen kannte – weil so gut wie jeder Mann im Bergbau beschäftigt war, die Familien kannten einander – denn man war „Unter Tage“ aufeinander angewiesen. Also trotz Großstadtstatus: Bottrop hat auch heute noch etwas von Gemeinsamkeit, das man nicht überall findet: Man schlägt sich und verträgt sich – so mein Eindruck – schneller, als woanders – weil es ganz einfach nötig war. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit prägt seit Generationen die Menschen in der Bergbauregion.
Kurz zur Stellungnahme der Verwaltung: Ich bin erfreut über deren Ausführlichkeit – im Grunde ja befürwortende Haltung, die darin zum Ausdruck kommt. Nicht ausreichen dürfte es eine Beschränkung auf das „Steigerlied“, vor allem nicht mit der implizierten Begründung, die Bergarbeiterbewegung sei im Verschwinden begriffen. Das sehen die Bergleute, welche Traditionspflege betreiben, sicher ganz anders. Mit anderen Worten, ich bin schon der Meinung, dass es der ganze Kuchen sein sollte und nicht nur ein Krümel.
Mir leuchtet auch nicht ein, warum nicht beides – Teilnahme an der Bewerbung für das UNESCO-Kultur- und Welterbe im materiellen Bereich und eine Bewerbung für den Bereich des immateriellen Kulturerbes parallel erfolgen soll. Im Gegenteil, es erscheint mir sowohl inhaltlich als auch zeitlich sinnvoller, beides miteinander zu verbinden – zumal das letztere ja aus unserer Stadt käme, sozusagen als Bottroper Teil des Erbes der Kultur.
Ich konnte an dieser Stelle natürlich nur auf wenige Aspekte der Bergarbeiterbewegung eingehen und Sie müssen weitere hinzudenken. Dennoch meine ich, dass es den Versuch lohnt, die Bergarbeiterbewegung in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen. Falls Sie sich heute dazu entschließen, diesen Versuch zu wagen, werden wir – unsere Stadt – dazu Unterstützung von Experten benötigen. Wir sollten uns dann Partner suchen, die behilflich sind bei der Antragstellung, bei der Konkretisierung und Abgrenzung des Themas.
Aber das hat ja auch bei „Innovation City“ ganz gut geklappt mit der Hilfe von Experten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Stimmen Sie bitte dem Vorschlag zu!