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Ehrung der Kämpfer gegen Loewenfeld

Die DKP hatte für den 8.4. am Mahnmal der Opfer der Brigade Loewenfeld auf dem Westfriedhof zu einer Gedenkveranstaltung eingeladen. DKP-Kreisvorsitzender Jörg Wingold gedachte in seiner Einführung nicht nur der Opfer des Widerstands gegen den Kapp-Putsch im Jahre 1920, sondern auch der Opfer des Faschismus. Er stellte die Brigade und deren Anführer Loewenfeld in eine Reihe mit den Mörderbanden der Nazis und rief auf, nicht zu ruhen, bis endlich der Name Loewenfeld vom Straßenschild in Kirchhellen verschwindet.

Herr Sahin Aydin berichtete anschließend kurz über seine aktuellen Forschungen zur Geschichte des Mahnmals und der Zahl der Opfer der Brigade Loewenfeld. Demnach sind in der Zeit der Terrorherrschaft der Loewenfelder in Bottrop im April und Mai 1920 vermutlich mehr als 260 Menschen umgebracht worden, darunter nicht nur Kämpfer der Roten Ruhrarmee, sondern auch völlig unbeteiligte Bürger unserer Stadt. Herr Aydin gab an, dass er bald eine Broschüre mit den Ergebnissen seiner Forschungen veröffentlichen wird.

Herbert Dibowski rief zum Abschluss auf, sich Gedanken darüber zu machen, Informationstafeln an der Gedenkstelle anzubringen, damit auch Besucher, denen die Hintergründe nicht bekannt sind, Informationen über die Söhne und Töchter unserer Stadt, die dort beigesetzt sind, erhalten.

Zu der Gedenkveranstaltung waren etwa 35 Personen erschienen.

 

 

Rede von Jörg Wingold zur Ehrung derKämpfer gegen die Brigade Loewenfeld

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen,

warum eigentlich – so fragen sich und uns sicherlich manche – stehen wir heute unverdrossen wieder hier? Warum stehen wir auch 97 Jahre nach den Ereignissen immer noch und immer wieder an diesem Gedenkstein?

Ich selbst stehe hier, weil ich es für nötig halte, immer noch und immer wieder auf den Skandal hinzuweisen, dass es in Bottrop-Kirchhellen noch eine Loewenfeldstraße gibt, benannt nach einem Mörder, Militaristen und Faschisten, der verantwortlich war für noch mehr Tote, als hier auf diesem Denkmal mit Namen verewigt sind.

Ich stehe hier, weil die Kämpfer der später so bezeichneten Roten Ruhr Armee im Jahre 1920 bereits Gegner hatten, die das Hakenkreuz am Helm trugen. Diese waren Mitglieder der Mörderbande „Brigade Loewenfeld“. Heutzutage haben wir wieder und immer noch mit solchen Leuten zu tun, die vielleicht nicht immer das Hakenkreuz offen tragen, aber faschistischem Gedankengut mörderische Taten folgen lassen.

Zum historischen Ablauf im Jahre 1920 lassen Sie mich die Geschichte nur kurz zusammenfassen:

Im März 1920 war es gegen den sogenannten Kapp-Putsch gegen die damalige sozialdemokratische Regierung zum Generalstreik gekommen nachdem die Regierung vor den Putschisten geflüchtet war. Auch im Ruhrgebiet kam es damals zur Bildung von bewaffneten Gruppen, die man nachträglich als „Rote Ruhrarmee“ bezeichnete. Sie bildeten sich zur Abwehr gegen Reichswehrtruppen und paramilitärische Polizeieinheiten. Ohne Umschweife kann man sagen: Es gab einen Bürgerkrieg, auch hier im Ruhrgebiet.

Nach dem Ende des Kapp-Putsches sollten alle bewaffneten Gruppen ihre Waffen abgeben, was die Bottroper am 2. April 1920 auch taten. Als jedoch bekannt wurde, dass sich ein Freikorps näherte, bewaffneten sich einige Bottroper Arbeiter wieder.

Freikorps, das waren damals bewaffnete ehemalige Reichswehrtruppen, die zur sogenannten Aufstandsbekämpfung eingesetzt wurden, die aber selbst führend am Kapp-Putsch beteiligt gewesen waren.

Freikorps, das waren deklassierte, frustrierte, antikommunistische Soldaten, die nach dem ersten Weltkrieg nicht ins bürgerliche Leben zurück konnten oder wollten. Der Psychoanalytiker Klaus Theweleit hat versucht, das in seinem Buch „Männerfantasien“ mit Hilfe von Sigmund Freud zu erklären, doch ich denke, dass es uns für heute ausreicht, sie als Militaristen, als Soldateska oder – um es auch politisch auf den Punkt zu bringen – als Söldner des Kapitalismus und Imperialismus zu kennzeichnen.

Führer des Freikorps, das sich auf Bottrop zu bewegte, war Wilfried von Loewenfeld. Nachdem seine Truppen nach heftiger Gegenwehr nicht weiter nach Bottrop vordringen konnten, befahl er die Beschießung Bottrops mit Artillerie und die Beschießung einzelner Häuser, um den Widerstand zu brechen. Besonders wüteten die Loewenfelder im Eigen – vermutlich ist das der Grund, warum dort eine Siedlung immer noch Kapp-Kolonie genannt wird.

Der deutsche Militarismus – darüber sind sich selbst bürgerliche Historiker einig – hat sowohl den Ersten, als auch den Zweiten Weltkrieg vom Zaume gebrochen. Das geschah aber nicht nur, weil der deutsche Militarismus aggressiver als derjenige anderer Länder war, sondern weil das deutsche Kapital gierig war nach ausländischen Rohstoffen und billigen ausländischen Arbeitskräften und diese Gier mit militärischen Mitteln durchsetzen wollte. Solche Töne hören wir heutzutage wieder lauter werden.

Aus und in Bottrop starben im Zweiten Weltkrieg wohl etwa 3.200 Menschen. Und das war nicht alles an bleibenden Schäden: Im Jahrbuch der Stadt Bottrop für die Jahre 1945 bis 1949 heißt es: „Zu den 496 Kriegsbeschädigten des ersten Weltkriegs kamen 1.780 weitere des zweiten Weltkrieges.“ Hinzu kamen noch über 4.000 Bürger in Kriegsgefangenschaft.

Als wäre das noch nicht schlimm genug, muss man die Zahl von circa 60 bis 70 Millionen Menschen hören, die dem Zweiten Weltkrieg insgesamt zum Opfer fielen – man kann die Zahl hören, vorstellen kann sie sich wohl niemand.

Nach diesem Krieg hörte man sogar von konservativen Kräften Stimmen gegen die Wiederbewaffnung, man hörte die Stimme der „Ohne-mich-Bewegung“, die dann zum Schweigen gebracht wurde.

Heute ist es wieder soweit: Deutsche Waffen, deutsches Geld – morden in der ganzen Welt. Die Bundeswehr ist in etwa 15 Ländern mit etwa 4.000 Soldaten an Einsätzen beteiligt. Merkel zuckt nicht mal mit der Wimper, wenn es darum geht, den US-Kriegskurs wie jetzt in Syrien zu unterstützen. Ich denke, ich liege nicht falsch, wenn ich sage, die Gefahr eines Weltkriegs war lange nicht so groß, wie heute. Die deutsche Rüstungsmaschinerie ruht nicht, sie will vom großen Kuchen etwas abzubekommen und mitmischen in der Tötungsindustrie.

Ja, es ist an der Zeit – um Hannes Wader zu zitieren – diesen Krieg zu verhindern – es müssen sich jedoch mehr und mehr Menschen dazu bereitfinden – die bevorstehenden Ostermärsche sind ein wichtiger Beitrag gegen den Militarismus.

Für die Einschätzung der damaligen Ereignisse kann man sagen:

Der Kapp-Putsch wurde vom Generalstreik der Arbeiterschaft in kürzester Frist auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt.

Einen weiteren Generalstreik dieses Ausmaßes gab es bei der Übertragung der Macht an die Faschisten 1933 trotz Aufrufs der KPD nicht – die Arbeiterklasse war gespalten.

Die Rote Ruhrarmee hatte sich gebildet, um bestimmte Forderungen durchzusetzen und zur Abwehr der reaktionären Reichswehrtruppen. Die Rote Ruhrarmee hatte mehrere Städte und ganze Regionen des „Westfälischen Industriegebietes“ befreit. Ihre Vertreter wurden im anschließend über den Tisch gezogen und unter anderem mit Hilfe rechter Sozialdemokraten vom Schlage eines Noske als die wahren Gegner bekämpft und unterdrückt.

In Bottrop bewirkten die Ereignisse während des Kapp-Putsches und danach sicherlich in den zwanziger Jahren eine Radikalisierung der Bergarbeiter, die sich zunehmend von USPD und SPD ab- und der erst kurz zuvor gegründeten KPD zuwandten.

Der Hass der Reaktion auf die Kämpfer der Roten Ruhrarmee war so groß, dass sie das hier zu sehende Denkmal verstümmelten.

Der Gedenkstein hier sah nämlich bis zur Herrschaft der Nazis in Bottrop ganz anders aus, er hatte oben drauf eine sogenannte Jakobinermütze und die Inschrift lautete damals: „Wir kämpften für die Freiheit des Proletariats“. Auf den Tafeln, die nach dem Ende des Faschismus erneuert wurden, finden wir die Namen einer Totenliste.

Die Menschen, an die mit dem Denkmal, vor dem wir hier stehen, erinnert wird, haben einen Kampf geführt, sie haben sich den Militaristen der Brigade Loewenfeld in den Weg gestellt, sie haben sich mit Waffengewalt gegen deren Soldateska gewehrt. Dafür haben die Loewenfelder sich bitter gerächt – und nach der Eroberung der Stadt Verdächtige, derer sie habhaft wurden, umgebracht.

Wir werden gleich durch Herrn Sahin Aydin erfahren, dass noch weit mehr Menschen in unserer Stadt der Brigade Loewenfeld zum Opfer fielen, als bisher bekannt war. Wir werden erfahren, was es heißt, wenn eine Soldateska ungehemmt in einer Stadt wüten kann wie damals in Bottrop.

Zum Schluss noch zurück zum Anfang meines kleinen Beitrags: Warum stehe ich hier? Weil – um mit Brecht zu sprechen – der Schoß immer noch fruchtbar ist, aus dem der Faschismus kroch!! Weil der Kampf gegen den Faschismus nicht aufhören darf und wir keine Ruhe geben dürfen, bis die Straße in Kirchhellen nicht mehr Loewenfeldstraße heißt.

Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit.

 

 

Rede von Herbert Dibowski auf der Veranstaltung

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen,

wir leben heute wieder in Zeiten der zunehmenden Kriegsgefahren. Wir leben heute in Zeiten, in der eine rechte Partei wieder genug Öffentlichkeit bekommt, um eine Gefahr darzustellen.

Die Kämpfer gegen den Kapp-Putsch, gegen die Loewenfelder mussten damals zu den Waffen greifen, um die Gefahr von Rechts zu bekämpfen. Sie hatten gerade die Schrecken des Ersten Weltkriegs hinter sich.

Auf diesem Friedhof hier kann man an den Gräbern der Opfer sehen, was Krieg und Faschismus anrichten. Nicht nur die hier liegenden Opfer der Loewenfelder und die hingerichteten Opfer der Faschisten zeigen uns das.

Es gibt hier außerdem noch:

  • das Gräberfeld der sowjetischen Kriegsgefangenen, hier links
  • den jüdischen Friedhof hinten rechts und sogar
  • ein Gräberfeld deutscher Soldaten des Zweiten Weltkriegs hier schräg gegenüber.

 

In einem Schreiben an die im Rat der Stadt Bottrop vertretenen Parteien hatte DKP bereits 2002 vorgeschlagen, am Eingang dieses Friedhofs eine „STÄNDIGE AUSSTELLUNG WIDERSTAND UND VERFOLGUNG IN BOTTROP“ einzurichten in der Hoffnung, hier einen Ort entstehen zu lassen, der allen Bottropern ermöglicht, mehr über den Widerstand – den Kampf und die Opfer – zu erfahren.

Inzwischen gibt es zwar die Stolpersteine, die Dokumentation über den Widerstand in Bottrop ist zwar veröffentlicht worden und Sahin Aydin hat auch seine Dokumentation zu Leben und Tod von Alois Fulneczek veröffentlicht und es gibt Einzeldokumentationen, z.B. über die jüdischen Verfolgten aus Bottrop und über Nikolaus Groß. Alle diese Dokumentationen würdigen jedoch jeweils nur Teilaspekt über die Widerständigen in unserer wehrigen Stadt.

Damals hatte die DKP vorgeschlagen eine solche Ausstellung durch Fachpersonal zu betreuen. Sie sollte auch ermöglichen, dass sich Bottroper Schulklassen über die Gegensätze von Krieg und Frieden, von Faschismus und Demokratie informieren können.

Wie Sie sehen können, ist nichts daraus geworden – die anderen Parteien äußerten damals ihr Wohlwollen, aber immer hieß es: Kein Geld, kein Geld, kein Geld.

Lassen Sie uns in den kommenden Monaten Gedanken darüber machen, wie wir wenigstens den Ehrenhain hier würdiger und vor allem informativer gestalten können. Zum Beispiel durch Informationstafeln und eventuell die Wiederherstellung des Steins oder zumindest einer Darstellung seines ursprünglichen Aussehens und seiner Bedeutung und Geschichte.

Die größte Gefahr für den Frieden geht von der Vergesslichkeit der Menschen aus. Der Faschismus kann nur wieder erstehen, wenn die Menschen nicht mehr über die Leiden der Opfer informiert werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit

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